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17. Oktober 2024

Schriftformgebot für Vereinbarungen über den Ausbildungskostenrückersatz erfordert Unterschrift beider Parteien

Denise Pjanic, MBA

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat entschieden, dass eine Rückerstattung von Ausbildungskosten nur auf Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verlangt werden kann. Diese Vereinbarung muss neben der konkreten Ausbildung und dessen Beginn, den Rückzahlungsmodalitäten auch von beiden Parteien unterzeichnet werden, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen. In einem aktuellen Fall stellte der OGH klar, dass eine Vereinbarung, die nur vom Arbeitnehmer unterschrieben wurde, auch dann nicht wirksam ist, wenn die Grundlagen im Dienstvertrag geregelt waren. Fehlt die Unterschrift des Arbeitgebers, ist die Vereinbarung nichtig.

Sachverhalt und bisheriges Verfahren

Ein Arbeitnehmer hatte eine „Rückzahlungserklärung für die Kosten von Ausbildungsveranstaltungen“ unterzeichnet, die nicht vom Arbeitgeber unterzeichnet wurde. Als der Arbeitnehmer das Unternehmen verließ, forderte der Arbeitgeber die Rückzahlung eines Teils der Ausbildungskosten. Das Erstgericht wies die Klage ab, da die Rückzahlungsvereinbarung die Unterschrift des Arbeitgebers fehlte und somit nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Das Berufungsgericht entschied jedoch anders, und der Fall ging zum OGH.

Schriftlichkeit bedeutet „Unterschriftlichkeit“

Nach § 2d Abs 2 AVRAG und § 886 ABGB kommt eine Rückerstattungsvereinbarung nur durch die Unterschrift beider Parteien zustande. Der OGH betonte, dass die Schriftlichkeit als „Unterschriftlichkeit“ zu verstehen ist und beide Parteien den Vertrag eigenhändig unterschreiben müssen. Nur so ist gewährleistet, dass der Arbeitnehmer die volle Transparenz über seine zukünftigen Verpflichtungen hat.

Der OGH stellte klar, dass das Schriftformerfordernis gemäß § 2d AVRAG nicht auf den Arbeitnehmer allein beschränkt werden kann. Der Gesetzgeber verlangt, dass sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber die Vereinbarung unterzeichnen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und eine unfaire Einschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers zu vermeiden.

Vereinbarung ist gänzlich unwirksam

Da die „Rückzahlungserklärung“ nur vom Arbeitnehmer unterzeichnet wurde, ist sie gemäß OGH ungültig. Auch wenn der Ausbildungskostenrückersatz im Dienstvertrag allgemein geregelt war, fehlte die erforderliche Unterschrift des Arbeitgebers auf der spezifischen Vereinbarung, was zur vollständigen Unwirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung führte.

Achtung: Eine generelle Klausel im Dienstvertrag ist ungültig. Um sicherzustellen, dass Rückzahlungsvereinbarungen wirksam sind, sollten weitere Aspekte beachtet werden:

  1. Kein geldwerter Vorteil: Die Klausel ist nur gültig, wenn der Arbeitnehmer durch die Weiterbildung einen messbaren Vorteil erhält, etwa durch steigende Qualifikationen, die zu höheren Einkünften führen. Daher sind nur Kosten für Aus- und Weiterbildungen sind rückersatzfähig, jedoch nicht Kosten für Einschulungen und Fortbildungen.
  2. Zeitanteilige Reduktion: Der Rückzahlungsbetrag reduziert sich monatlich aliquot.
  3. Angemessene Bindungsdauer: Die Klausel darf den Arbeitnehmer nicht zu lange an das Unternehmen binden, um rechtlich haltbar zu sein. Die Bindungsdauer darf maximal vier Jahre (in Fällen von enorm kostspieligen Ausbildungen acht Jahre) betragen.
  4. Vollständigkeit: In der Vereinbarung müssen alle notwendigen Informationen vorhanden sein, wie der Titel der Weiterbildung, die Kosten und die Rückzahlungsmodalitäten
  5. Rechtzeitig: Die schriftliche Vereinbarung ist VOR Beginn der Ausbildung notwendig.

Sollte nur ein Punkt nicht eingehalten werden, kann die gesamte Vereinbarung nichtig sein!

Außerdem gilt seit März 2024: Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die für die Ausübung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit notwendig sind, stellen Arbeitszeit dar; die Kosten für die Maßnahmen sind zwingend vom Arbeitgeber zu tragen!

Sollten Sie Fragen zum Thema Ausbildungskostenrückersatz haben, wenden Sie sich gerne an unsere Experten im Bereich der Personalverrechnung!

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Behindertenpass im Arbeitsrecht: Kein Nachweis für begünstigte Behinderung

Denise Pjanic, MBA

Der Behindertenpass gemäß dem Bundesbehindertengesetz (BBG) dient als Nachweis einer Behinderung, insbesondere für verschiedene Sozialleistungen, spielt jedoch für das Arbeitsrecht nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) keine entscheidende Rolle. Laut BEinstG ist der Behindertenpass allein nicht ausreichend, um als begünstigter Behinderter zu gelten, der spezielle Vergünstigungen wie erhöhten Kündigungsschutz genießt. Dafür ist ein eigenständiges Verfahren zur Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis begünstigter Behinderter erforderlich. Diese Unterscheidung führt zu unterschiedlichen Rechtsprechungen, die der Gesetzgeber nun mit einer Klarstellung behoben hat.

Rechtslage und Differenzen in der Rechtsprechung

Die Diskussion um die Rechtswirkung des Behindertenpasses entwickelte sich durch unterschiedliche Auslegungen der höchsten Gerichte. Der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied in einem Fall, dass der Behindertenpass gemäß § 14 Abs. 1 lit. a BEinstG einen Nachweis über den Status als begünstigter Behinderter darstellen könne (OGH 25.1.2023, 8 ObA 76/22). Demgegenüber entschied der Verwaltungsgerichtshof (VwGH), dass der Behindertenpass diese Funktion nicht erfülle (VwGH 4.4.2016, Ra 2016/11/0016). Diese unterschiedlichen Urteile führten zu Unsicherheiten, ob der Behindertenpass tatsächlich als Nachweis im arbeitsrechtlichen Kontext gelten kann.

Begründung der Gesetzesänderung

Die kürzlich verabschiedete Klarstellung hat zum Ziel, diese Unterschiede in der Rechtsprechung zu beseitigen. Zukünftig gilt der Behindertenpass nicht mehr als ausreichender Nachweis für den Status als begünstigter Behinderter im Sinne des BEinstG. Diese Klarstellung ist insbesondere wichtig, da in anderen Rechtsbereichen, wie der Kriegsopferversorgung oder der gesetzlichen Unfallversicherung, ein Behindertenpass oft als vorläufiger Nachweis einer Behinderung anerkannt wird.

Für die Aufnahme in den Kreis der begünstigten Behinderten im arbeitsrechtlichen Sinne sind jedoch zusätzliche Schritte erforderlich, wie etwa die Feststellung des Grades der Behinderung durch ein separates Verfahren. Diese Maßnahme soll sicherstellen, dass begünstigte Behinderte im Arbeitsrecht spezielle Rechte wie einen besonderen Kündigungsschutz oder andere Vorteile wie den Anspruch auf Zusatzurlaub und einen besseren Schutz vor Entlassungen erhalten. Aber auch für Unternehmern hat es Vorteile, wenn der bzw. die behinderte Mitarbeiter:in offiziell zum Kreis der begünstigten Behinderten zählt: Arbeitslöhne von begünstigten Behinderten, die gemäß des Behinderteneinstellungsgesetzes beschäftigt werden, sind nicht in die Bemessungsgrundlage der Summe der Arbeitslöhne einzuberechnen und somit entfallen für sie der Dienstgeberbeitrag, der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie die Kommunalsteuer. Auch die Anrechenbarkeit auf die Ausgleichstaxe ist nur im Fall der Zugehörigkeit zum Kreis begünstigter Behinderter möglich.

Fazit

Die jüngsten gesetzlichen Klarstellungen regeln eindeutig, dass der Behindertenpass allein nicht ausreicht, um als begünstigter Behinderter im arbeitsrechtlichen Sinne anerkannt zu werden. Die Änderung trat mit 19. Juli 2024 in Kraft.

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Kündigung und einvernehmliche Auflösung im Krankenstand: Dauer der Entgeltfortzahlung

Denise Pjanic, MBA

Wird ein Arbeitnehmer während eines Krankenstands gekündigt oder das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst, bleibt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 5 EFZG für die gesetzlich vorgesehene Dauer bestehen, selbst wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig endet. Dabei ist zu beachten, dass ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch im neuen Arbeitsjahr nicht entsteht, falls der Krankenstand in dieses hineinreicht, insofern das Arbeitsverhältnis zuvor endet. Der Anspruch aus dem vorherigen Arbeitsjahr bleibt jedoch bestehen und kann bis zur vollständigen Ausschöpfung genutzt werden.

Sachverhalt und Rechtsprechung

Im Fall eines Arbeitnehmers, der im Krankenstand einvernehmlich aus seinem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, stellte sich die Frage, ob ihm ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus zusteht. Der Arbeitnehmer war vom 6. März 2019 bis zum 28. Februar 2023 angestellt. Das Arbeitsverhältnis wurde während eines laufenden Krankenstands einvernehmlich aufgelöst. Obwohl das Arbeitsverhältnis endete, machte der Arbeitnehmer geltend, dass ihm Entgeltfortzahlung bis zur Ausschöpfung seines Anspruchs zustehe.

Das Oberlandesgericht Wien (OLG) bestätigte, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch aus dem alten Arbeitsjahr auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortbesteht. Ein neuer Anspruch im neuen Arbeitsjahr entsteht hingegen nicht, wenn das Arbeitsverhältnis vor dessen Beginn endet. Das Gericht entschied, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung auf das gesamte Restkontingent des alten Arbeitsjahres beschränkt bleibt und bis zur vollständigen Ausschöpfung bestehen bleibt.

Meinungsstand in der Literatur

In der Literatur war bisher umstritten, ob mit dem fiktiven Beginn eines neuen Arbeitsjahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch ein eventuell offener Entgeltfortzahlungsanspruch endet. Während einige Autoren argumentieren, dass ein neuer Anspruch nur bei einem aufrechten Arbeitsverhältnis entsteht, vertreten andere die Auffassung, dass der Anspruch aus dem alten Arbeitsjahr auch nach Vertragsende fortbesteht. Das OLG Wien schloss sich der Ansicht an, dass die Begrenzung auf das Arbeitsjahr nach dem Ende des Dienstverhältnisses wegfällt aber der noch offene Anspruch erhalten bleibt.

Das OLG Wien hat die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof (OGH) zugelassen, da zu dieser Frage bislang keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.

Für Fragen und Unterstützung stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung  – Ihre Ansprechpartner!

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